Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, gab es vor 100 Jahren noch nicht. Das trifft auch auf die Schulbildung zu.
Mädchen wurden damals nicht zum Abitur und schon gar nicht zum Studium zugelassen. Nach dem damaligen Verständnis gehörten Frauen eher an den Herd, während Männer für das wissenschaftliche und geistige Leben zuständig waren.
Dass heute sowohl Mädchen als auch Jungen eine Allgemeinbildende Schule besuchen und wissenschaftliche Berufe ergreifen können, ist Frauen wie Helene Lange zu verdanken, die sich für die Gleichberechtigung der Frauen einsetzte. Helene Lange, die eine ihrer Lebensaufgaben darin sah, Frauen und Mädchen durch Bildung zu emanzipieren und eine gleiche Schulbildung für Jungen und Mädchen herbeizuführen.
„In der Beständigkeit liegt das Geheimnis des Erfolgs.“ Helene Lange, Berlin 1898
Quelle: Faltblatt Helenen Lange, Zentrum für Frauengeschichte (Hrsg.), Oldenburg 2010
Helene Henriette Elisabeth Lange wurde am 9. April 1848 in Oldenburg geboren. Ihre Mutter starb bereits im Jahr 1855, ihr Vater starb 1864, was die sechzehnjährige Helene Lange zur Vollwaise machte. Im Alter von 23 Jahren legte sie das Lehrerinnenexamen ab und wurde recht bald mit den Missständen in der Lehrerinnenausbildung konfrontiert.
Helene Lange hat auch die Erfahrung gemacht, dass Mädchen und Frauen immer öfter in der Situation waren, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Darum setzte sie sich dafür ein, dass die Schulbildung der Mädchen derer der Buben angeglichen wird und Mädchen dazu befähigt, eine eigenständige Persönlichkeit zu entfalten. Es war Helene Lange, die diese Veränderung erkannte. Gleichzeitig versuchte sie, diese Ausbildung in qualifizierte Frauenhände zu legen. Den endgültigen Anstoß für eine Reform der deutschen Mädchen- und Lehrerinnenbildung gab die so genannte „Gelbe Broschüre“, die 1887 von Helene Lange veröffentlicht wurde. Durch diese „Gelbe Broschüre“ wurde Helene Lange mit einem Schlag auch über liberale und pädagogische Kreise hinaus bekannt. Sie forderte, dass die Mädchenschulen unter der Leitung von Frauen stehen müssten, und zwar auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Vorbildung der Lehrerinnen, die der Ausbildung ihrer männlichen Kollegen gleichgestellt sein sollte.
Helene Lange erreichte einen immer größeren Bekanntheitsgrad. Um 1900 stand sie als einflussreiche Persönlichkeit im Zentrum der bürgerlichen Frauenbewegung. Sie war Vorsitzende des ADLV (Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein) und gab eine eigene Zeitschrift mit dem Titel „Die Frau“ heraus, in der sie für das Selbstverständnis der Frau durch Bildung und Arbeit eintrat. Sie wohnte im „Neuen Westen“ von Berlin, wo sich recht viele Frauenrechtlerinnen niedergelassen und durch ihre Arbeit ein Netz von Freundschaften und Kontakten geknüpft hatten.
Bei einem Vortrag auf dem ersten internationalen Frauenkongress im Jahre 1904 in Berlin referierte Helene Lange über Anliegen und Ziele der Frauenbewegung:
„Diese Vereinigung der beiden geistigen Welten (von Frau und Mann) zu einer sozialen Gesamtanschauung, in der keine etwas von ihrer Kraft einbüßt, das ist das Endziel der Frauenbewegung. Wenn das erreicht ist, wird es kein führendes Geschlecht mehr geben, sondern nur noch führende Persönlichkeiten.“ nach Helene Lange, Vortrag, I. internat. Frauenkongress Berlin 1904
nach Helene Lange, Vortrag, I. internat. Frauenkongress Berlin 1904
09.04.2013 die Schülersprecher und Frau Knapp legen an der Büste von Helene Lange Blumen nieder
Helene Lange war somit die erste Frau, die die Allgemeinbildung der Frauen ganz bewusst durchsetzen wollte. Neben anderen Frauen ist es besonders ihr Verdienst, dass Mädchen gleichberechtigt neben den Jungen die allgemeinbildenden Schulen besuchen können und nicht mehr an Herd und Küche gebunden sind.
Helene Lange öffnete den Frauen die Tür zum Hochschulstudium und ebnete somit den Weg zu gleichen Lebenschancen in Beruf, Politik und Gesellschaft. Helene Lange erhielt zahlreiche Ehrungen. Die Deutsche Demokratische Partei ernannt sie zur Ehrenvorsitzenden, 1922 wurde sie Ehrenbürgerin der Stadt Oldenburg, 1923 verlieh ihr die Universität Tübingen die Ehrendoktorwürde.
Im Jahre 1928 erhielt sie die große Staatsmedaille „Für Verdienste um den Staat“ durch die preußische Regierung. Am 13. Mai 1930 starb Helene Lange in Berlin. Ihre Beerdigung glich einem Staatsbegräbnis. Ihr Ehrengrab ist heute noch auf dem Charlottenburger Friedhof zu finden.
Helene Lange ebnete Frauen den Weg zu gleichen Lebenschancen in Beruf, Politik und Gesellschaft. Sie selbst sagte, rückblickend über diesen Fortschritt in ihren Lebenserinnerungen, 1921:
„Heute meint man, alles sei von selbst gekommen. Aber was da an Hindernissen zu überwinden war, daran reicht die Phantasie der jungen Mädchen von heute nicht mehr heran“.
zitiert nach: Beckmann, E., Helene Lange, Berlin1931, S. 19-21.